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KONZERT REVIEWS

Black Crew, Prepare For Takeoff: M’ERA LUNA 2022 im Rückblick

today19. August 2022 75 2

Hintergrund
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FREITAG 

Während sich anderorts die nach Urlaub lechzenden Menschen in kilometerlangen Schlangen durch die Flughäfen des Landes quälten, um der Sonne entgegen zu fliegen und mit Glück sogar gemeinsam mit ihren Koffern am gewünschten Reiseziel anzukommen, gestalteten sich Autofahrt Richtung Hildesheimer Flugplatz und das Einchecken an der Bändchenausgabe am Freitagabend doch äußerst entspannt und ohne besondere Vorkommnisse.   

Naja, ich gestehe…. wären da nicht die lieben Freunde und Bekannten gewesen, die sich bereits am Donnerstagabend auf den Weg gemacht hatten, um sich bei strömenden Regen in die Autoschlange zu stellen, auch meine Membranhülle aufzuschlagen und uns, mitsamt Gepäck und palettenweise Dosenbier, mit einigen unverzichtbaren! Bollerwagen im Schlepptau, vom recht entfernten Parkplatz eingesammelt hätten (der Nachteil der späten Anreise), wäre der Entspannungsfaktor sicherlich bei weitem geringer ausgefallen. Ebenfalls hätte die Koffersuche 1:1 mit der Suche nach einem geeigneten Plätzchen auf der Wiese ersetzt werden müssen…  

Doch so, wie es gelaufen ist, konnte der Fünf Sterne Camping-Urlaub auf dem Airport Hildesheim nun beginnen. Sprich, das erste warme Dosenbier wurde geöffnet und auf ein wundervolles Wochenende angestoßen, bevor wir uns einen Überblick über das Festival-Gelände verschafften, das sich ein ganz klein wenig zu den Bisherigen unterschied, denn statt der Hangar-Stage gab es in diesem Jahr erstmalig die zweite Open-Air Bühne, namens Club-Stage, zu bestaunen. Aufgrund des Gedränges und der schlechten Luft, im Prinzip ein raffiniertes und zukunftsorientiertes Konzept, doch wir müssten da noch einmal über die Definition von “großflächig überdacht” plaudern, wie es in den Festival-News geschrieben stand.   

Durch das AMPHI Festival abgehärtet, da sonnenerprobt und gut vorgebräunt, sollte es jedoch nicht weiter stören, keinen begehrten Schattenplatz vor der Bühne ergattert zu haben. Hätte es in Strömen gegossen, wäre die Sachlage wohl eine ganz andere gewesen. Ja doch, ich weiß… wen interessiert jetzt noch „hätte“? 

Also zurück zum Rundgang, denn es gab so einiges zu entdecken. Zum Beispiel haufenweise Dixi-Klos. Welch herrlich Wortspiel.
Tatsächlich waren davon genügend vorhanden, einer weiteren Ausführung bedarf es nicht, denn ein jeder Festival-Gänger weiß um die Bedingungen der Notdurft-Häuschen. Nahe dem Eingang zum Infield fand man jedoch auch einige Keramik-Toiletten, Duschen und wohltuende Waschstationen. Um diese zu benutzen, war es ganz praktisch, gut zu Fuß zu sein, denn je nach Lage des Wigwams, konnte man gut und gerne einen Spaziergang von bis zu 20 Minuten über das Flugfeld einplanen. Generell sollte man sich auf dem M’ERA LUNA keineswegs über mangelnde Bewegung beklagen können und bitte stets genügend Zeit einplanen. 

Um das Toiletten-Thema zu vervollständigen, mag ich an dieser Stelle auch gerne noch die Bio-Toiletten in Zeltnähe erwähnen. Zu Deutsch: Hier ging es um das Kacken für den guten Zweck. Um sich an dem wertvollen Dünger zu beteiligen, durfte man natürlich auch etwas bezahlen. Ein Geschäft gab es für 2,50 €, ein Wochenendticket (nicht übertragbar, da in Bändchen-Form) kostete fröhliche 18,- €. Wer gut im Kopfrechnen ist, mag sich hierzu gerne seine eigenen Gedanken machen. 

Essen und Trinken wurde natürlich ebenfalls in aller Vielfalt und an zahlreichen Ständen angeboten.  

Neben schwarz gefärbtem Softeis, Süßteig-Geschlechtsteilen (Waffeln in Formvollendung) und jeder Menge anderer Speisen und Getränken, die stellenweise wirklich sehr salzig in ihrer Preisgestaltung schmeckten, gab es so ziemlich alles an Klamotten, Kunst, Schmuck und Merch anzusehen und natürlich auch käuflich zu erwerben.  

Ein liebevoll gestalteter Mittelaltermarkt, mit feinen Angeboten und toller, entschleunigter Atmosphäre, durfte natürlich auch nicht fehlen.  

Doch die wirklich besonderen Entdeckungen an diesem Wochenende stellten all die schönen und glücklichen Menschen dar. Vom natürlichen Lächeln bis zum Horrorclown Hector (unten im Bild mit unserer wundervollen Sendeleiterin Indrya), gab es wirklich alles zu sehen, was man sich nur vorstellen und die schwarze Szene zu bieten hat. Ein einzigartiges und faszinierendes Flair, was das Goth-Volk da über Hildesheim und den versengten Rasen versprühte. 

 

 

Ohne Disco-Besuch, dafür mit reichlich Dosenbier und richtigem Abendbrot, den ersten Abend gemütlich ausklingen lassen und anschließend ins Zelt gekrochen, gab es gleich zwei nächtliche Überraschungen der unlustigen aber durchaus gewöhnlichen Art. Gut, mit Ohrstöpseln, die zuhause liegen geblieben waren, wäre die stellenweise wirklich grottenschlechte Musik – sorry Leute, Schlager geht echt nicht – die bis 4:00 Uhr lautstark in die Ohren dröhnte, wohl kein Problem gewesen. Doch was auf jeden Fall blieb, waren die Temperaturen. Während man tagsüber ab 7:30 Uhr in der Sonne schmorte, ging es mit den Gradzahlen ab 22:00 Uhr recht steil bergab. Es war eine verdammt kalte Nacht, durch die man sich, trotz doppelter Isomatte und Winterschlafsack, hindurch zitterte. Um es vorweg zu nehmen: Wir haben alle überlebt. 

 

SAMSTAG 

Freiwillig um 7:00 Uhr aus dem komplett durchnässten Zelt geklettert, war es die reinste Wohltat, mit einem frisch aufgebrühten Kaffee in der Hand, das Gesicht der Sonne zuzuwenden und gemeinsam mit dem ein oder anderen Frühaufsteher die morgendliche Stille zu genießen. Einfach herrlich. 

Aufgetaut und bereit für den Röstvorgang, ging es am Mittag dann wieder los, Richtung Stages, doch das erste Konzert, das die volle Aufmerksamkeit genießen sollte, war das von SOLITARY EXPERIMENTS. Voller Vorfreude auf die Performance erwischte es mich doch noch einmal eiskalt. Zunächst meinen eigenen Ohren misstraut, gab ich sowohl dem Sound, als auch Herrn Schober noch bis zu einem meiner liebsten Club Hits die Chance, mich zu überzeugen. Doch selbst “Delight” vermochte es nicht zu richten, sodass ich auf die weitere Darbietung verzichtete und das Sonnenfeld räumte. Schade. Ich werde es jedoch an anderer Stelle nochmals versuchen. 

Aufgrund der Enttäuschung erst einmal ein Bierchen gegönnt, verpassten wir leider auch den Rest der Parallelveranstaltung auf der Main Stage, wo das LORD OF THE LOST ENSEMBLE für großartige Stimmung sorgte, wie wir im Nachhinein erfuhren. Aber so ist das nun mal auf diesen Festivals. Man kann eben nicht alles haben. 

THE MISSION konnten uns leider auch nicht abholen, denn jetzt wäre ein stimmungsmäßiges Feuerwerk nötig gewesen. Oder einfach Nudeln Mascarpone, frisch aus der Tüte, mit heißem Wasser übergossen, die nach einer ausgedehnten Sightseeing-Tour und einem kurzen Abstecher bei BLUTENGEL, genüsslich verzehrt wurden. Ein Traum. Ja, das Leben kann so einfach sein. 

Nach dem Dinner und dem obligatorischen –ihr wisst es sicher schon? – Dosenbier natürlich, ging die Wanderung, vorbei an den vielen schwarz-bunten Grüppchen, die ihre ganz eigene Party feierten, frohen Mutes zurück zur Main, wo NITZER EBB dann das Feuerwerk nachholten und uns gebührend auf den Headliner des Samstags vorbereiteten.

 

 

ASP FT. THE LITTLE BIG MEN machten mal so richtig Spaß. Obwohl die Schwarz-Rock Band nicht zu 100 Prozent ins eigene Beuteschema passt, muss man einfach anerkennen, dass die Formation um Alexander Spreng hier für krasse Partystimmung sorgte. “Sing Child” erzeugte auch bei mir prickelnde Gänsehaut und die Füße wollten nicht mehr stillstehen. Mit “Ich will brennen” fanden Tanz und Konzert dann ein krachendes Ende und ASP entließen das Publikum in die Nacht.  

Das war schon eine spannende Zeitreise, die Mastermind ASP uns ein allerletztes Mal mit THE LITTLE BIG MEN geboten hat. Das macht uns doch glatt zu richtigen Zeitzeugen und erhält daher augenzwinkernd den Status “legendär”. 

 

Setlist 

01. Die letzte Zuflucht

02. Schwarzes Blut

03. Ich bin ein wahrer Sata

04. Me

05. Abyssus II (Musik)

06. Duett (Das Minnelied der Incubi)

07. Echo

08. Kokon

09. Raise some hell now!

10. Sing Child

11. Weltunter

12. She Wore Shadows

13. Ich will brennen/Fortsetzung folgt… 1

 

Das Disco-Bändchen bereits am Nachmittag organisiert, war kein Anstehen an der Halle nötig. Ratzfatz hinein ins Vergnügen, denn Seele und Füße verspürten Bewegungsdrang, den sie auch nonstop im Hangar ausleben durften. Ausgepowert stand anschließend noch ein kleiner, nächtlicher Spaziergang an, um das Erlebte zu verarbeiten, die Atmosphäre ein wenig zu genießen und darüber zu philosophieren, warum das Festival wohl “Ich war über dem Mond” heißen mag. Ein Ergebnis brachte alles Sinnieren nicht, doch der Phantasie sind ja niemals Grenzen gesetzt.  

Auch die zweite Nacht sollte mich dem Gefrierbrand recht nahebringen. Puh, das nächste Mal werden auf jeden Fall noch ein paar Decken und warme Klamotten mit eingepackt. Diesmal habe ich auf jeden Fall Gepäck am falschen Ende gespart. 

 

SONNTAG 

Kaffee und dann noch mehr Kaffee. Zum Warmwerden bot sich, neben dem eigenen Löslichen, der Besuch beim mobilen Kaffeestand an. Wow, ganz ehrlich, das war schon ein leckeres Gebräu, das die sympathischen Italienerinnen da ab 6:00 Uhr lächelnd und frisch für die “Bedürftigen” zubereitet haben. Eine echte Empfehlung übrigens auch der ‘Dirty Italian’. Ein köstliches Frühstücksgebräu, bestehend aus Trinkschokolade und Espresso. Auch eine gute Idee für den gemütlichen Sonntagmorgen zuhause, wenn unsere Lacrimae einmal mehr zu ihrer Sendung Coffee, Milk & Sugar einlädt… 

Neben einem chilligen Sonntag war natürlich auch Musik angesagt. Leider überschnitten sich FEUERSCHWANZ, die auf der Main Stage den Abriss 2020 feierten, mit SOMAN auf der Club Stage. Ja, man kann halt nicht alles haben… Aufgrund der musikalischen Vorliebe für das Power Noise Nervengift SOMAN, entschied ich, dass “Blue Flame” unbedingt mal live erlebt werden musste. So durfte ich zu den stampfenden Beats, die Kolja Trelle dem feiernden Publikum auf die Ohren gab, einen feinen Sonnentanz zelebrieren. 

Doch danach ging die Post erst richtig ab. Auf, zur Main Stage und damit zum persönlichen Highlight des gesamten Festivals. 

 

 

Kontrovers wird der neue und alte Stil unter den Fans von COMBICHRIST diskutiert. Nicht von mir. Ich mag den elektronischen Stil sehr, aber die neue, metallische Interpretation hat nicht nur mich an diesem sonnigen Nachmittag mal völlig aus den Schuhen gehauen. Ein krasser Aggrotech-Metal Abriss, der mich auch das letzte Gras unter den Füßen völlig zu Staub treten ließ. Begeisterte Stimmung, glückliche Gesichter und zuckende Leiber rund um mich herum, machten klar, dass hier eine riesengroße Party im Gange war, die von den Amerikanern angezettelt und von der Anhängerschaft überaus dankbar angenommen wurde. Definitiv das kurzweiligste Konzert, das ich bisher erleben durfte. Irre. Die Jungs haben uns mal so richtig ge***** ohrfeigt. 

Übrigens: COMBICHRIST werden am 24. September 2022, auf dem E-tropolis in der Oberhausener Turbinenhalle, mit ihrem Oldschool Set vertreten sein. Ich freu mich drauf! 

 

Setlist 

 

  1. Heads Off
  2. Not My Enemy
  3. Throat Full Of Glass
  4. Get Your Body Beat
  5. Blut Royale
  6. Compliance
  7. Hate Like Me
  8. Can’t Control
  9. Maggots At The Party

 

Nach dieser Eskalation war jetzt erst einmal Regeneration angesagt. Mit einem Kaffee ausgerüstet und vor dem Hangar im Schatten lang gemacht, wurde mit tollen Menschen, die man im Laufe des Tages kennengelernt hatte, geplaudert und gechillt. Das alles mit feinster Hintergrundmusik von VNV NATION im Classical Set mit der Philharmonie Leipzig. So konnte man die Mittagshitze verdammt gut aushalten. 

Danach ging es einmal mehr auf den Wanderpfad zum Zeltplatz, wo heute die mitgebrachten Ravioli ihren Weg auf den Gaskocher und in den Bauch finden sollten. Das tat gut und sorgte für Energie und Zufriedenheit. 

Headliner des Abends: EISBRECHER. Zwar in Planung, doch bin ich nicht dort angekommen, da die Kombo nicht ganz meinen Geschmack trifft, ich auf diesem Festival hauptsächlich in privater Mission unterwegs war und mir einfach mal etwas Zeit für mich allein gegönnt habe. Aus den Erzählungen der anderen, die sich den Hauptact nicht haben nehmen lassen, darf ich jedoch guten Gewissens berichten, dass die NDH-Truppe ihr Publikum voll im Griff hatte und im Galopp eine musikalische Ohrfeige nach der anderen verteilte. Gut so. 

Nach abschließendem gemütlichem Beisammensein und dem ständigen Begleiter Dosenbier, ging es in die dritte M’ERA LUNA Nacht, die sich weder ganz so klirrend, noch laut gestalten sollte, wie es die Bisherigen taten, da ich nahezu alles anzog, was ich im Gepäck hatte und die Nachbarn nun scheinbar der Schlager überdrüssig oder sogar bereits abgereist waren. 

 

MONTAG 

Arbeitsteilung und eine geschmeidige und gut ausgecheckte Organisation mit dem Festival-Partner sorgten dann für eine äußerst entspannte Abreise am Montagmorgen. So war in aller Frühe das Auto rangeholt, Kaffee organisiert, die Klamotten gepackt und das Zelt abgebaut. Reibungsloser konnte es kaum vonstattengehen. 

Zugeben möchte ich an dieser Stelle, dass ich mich nun auch wirklich auf Klo, Dusche, Bett und digitalen Datenempfang freute. Denn gerne hätte ich mich auf dem Festival mit Freunden und Bekannten abgesprochen, um gemeinsam auf das M’ERA LUNA anzustoßen, doch mein Anbieter hatte große Einwände dagegen vorzubringen, sodass der Satz: “Ich habe keinen Empfang.”, leider zum Running Gag wurde und mich stellenweise verzweifeln ließ. Ein paar kurze Live-Videos haben es aber dennoch in die sozialen Medien geschafft.  

 

FAZIT  

Das Ding lief einfach rund.  

Obwohl unfassbar großflächig angelegt, zeichnete sich das M’ERA LUNA 2022 dennoch als ein Hochgenuss der familiären Art aus, auf dem die friedvollen Abriss-Eskalationen von Bands und der ca. 25.000-köpfigen Audience gleichermaßen gefeiert wurden. Egal, ob vor den Stages oder auf dem Rollfeld, die Stimmung war einfach mega. Diese famose Mischung aus Camping und Konzerten bietet einfach zwei ganz besondere Atmosphären, die zu einem ganz besonderen Ambiente verschmelzen und so viel Lust auf 2023 machen. 

Einzig gruselig an der Veranstaltung war das Preis-Leistungsverhältnis von Speisen und Getränken. Aber an diese Situation muss man sich wohl generell langsam gewöhnen… Daher heißt es also: Sparen, Leute!  

Das nächste M’ERA LUNA ist für den 12. Und 13. August 2023 geplant.

Geschrieben von: Prinzessin Prisma

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